Bei unserem Verein wird häufig angefragt, ob sich eine Patenschaft für ein Kind übernehmen ließe – was wir immer wieder verneinen müssen. Heute möchte ich darstellen, was es aus unserer Sicht mit Patenschaften auf sich hat.

Vorteile einer Patenschaft
Fangen wir mit den Vorteilen an: Patenschaften haben nämlich tatsächlich eine Menge Vorteile, die wir Ihnen nicht verschweigen wollen. Zunächsteinmal natürlich für das betroffene Kind: in der beklemmenden Situation von Armut ist es schön, einen engagierten Fürsprecher und Mentor zu haben (kleine Geschenke sind natürlich auch immer willkommen). Für den Unterstützer ist es dagegen besonders reizvoll, wenn die eigene Hilfe ein Gesicht bekommt und er direktes Feedback zu Erfolgen und Misserfolgen erhält. Und deswegen ist er auch dazu bereit, regelmäßig einen höheren Betrag zu spenden. Und davon profitiert letztlich auch die Hilfsorganisation: je mehr regelmäßige Förderer es gibt, desto weniger Aufwand muss betrieben werden, um den Haushalt zu decken. Umgekehrt muss zudem weniger Aufwand betrieben werden, um die Verwendung der Spende nachweisen zu können – eine Patenschaft ist an sich schon ziemlich transparent.

„Sariry muss verrückt sein, wenn es auf all diese Vorteile verzichtet“, mögen Sie nun vielleicht denken. Nun, wir denken, dass die Nachteile von Patenschaften deutlich überwiegen. Doch machen Sie sich selbst ein Bild:

Probleme einer Patenschaft
Zunächst haben wir in Tilata mit einer großen Bevölkerungsfluktuation zu kämpfen. Für viele Familien ist Tilata leider nur eine Zwischenstation auf ihrer Suche nach dem besseren Leben. Für eine dauerhafte Patenschaft ist das aber hinderlich: wie geht eine Patenschaft weiter, wenn die Kinder wegen eines Umzugs nicht mehr ins Projekt kommen können? Die Enttäuschung auf beiden Seiten der Patenschaft ist vorprogrammiert.

Freilich haben wir auch einen großen Stamm an Kindern, die schon seit Jahren in Sariry betreut werden. Sollte man Patenschaften also an die Bedingungen regelmäßiger und dauerhafter Teilnahme am Projekt knüpfen? Leider haben das die Kinder aber nicht selbst in der Hand: bei einem Umzug haben Kinder (nicht nur in Bolivien) selten ein Mitspracherecht. Und so handfest sind die Vorteile einer Patenschaft für die Familie nicht, dass sie sich deshalb einen besseren Job andernorts durch die Lappen gehen ließe und auf den Umzug verzichteten.

Der monatliche Beitrag, den die Paten leisten, geht selten direkt an die Familien – sondern bleibt meist im Projekt. Das ist auch richtig so: stellen Sie sich das soziale Klima in einer Jugendgruppe vor, in der die eine Hälfte der Kinder einen Paten hat (und regelmäßig Briefe, Geschenke und Taschengeld bekommt) und die andere Hälfte nicht. Wenn ein Projekt keine Patenschaften für jedes Kind garantieren kann, wird es tunlichst vermeiden, dass die Paten zu viel Einfluss auf ihre Patenkinder nehmen können: Die Patenschaften würden im Projekt mehr Probleme erzeugen als lösen.

Warum aber lässt sich nicht einfach für jedes Kind ein Pate finden? Einen Grund habe ich Ihnen schon vorgestellt: laufende Zu- und Fortzüge. Ein weiterer Grund ist leider in allen Patenprojekten traurige Realität: nicht alle Kinder sind gleichermaßen an Paten zu vermitteln. Da gibt es die kleinen Mädchen, die mit Schleife im Haar und einem charmanten Zahnlückenlächeln alle Interessenten in ihren Bann ziehen – solch ein Patenkind will jeder haben. Unscheinbare, ältere Kinder, die gar noch Behinderungen oder andere Auffälligkeiten mitbringen, sind für viele Menschen „eine Nummer zu groß“. Oft hätten aber gerade solche Kinder einen Paten bitter nötig und verdient. Und weil Sariry gerade auch solchen Jugendlichen helfen möchte, kommt ein Patenschaftssystem für uns nicht in Frage.

Ich möchte Ihnen einen letzte Grund nennen (und es gäbe sicher noch weitere): denken Sie auch an die Kinder! Bei Patenschaften geht es oft nicht so sehr um die Kinder, sondern um eine effiziente Form des Spendensammelns. Die Paten sollen durch Kinderzeichnungen und kleine, authetische Briefe dazu animiert werden, regelmäßig einen höheren Betrag zu spenden. Um diese Verheißungen einzulösen, müssen die Kinder in der Herstellung von Briefen und Zeichnungen und als Modelle bei Fotoshootings oft so einiges über sich ergehen lassen. Ich übetreibe das Argument: Patenschaften sind ein Geschäft mit den Gefühlen der Spender – und dass die Kinder dafür instrumentalisiert werden, ist aus unserer Sicht alles andere als  im Geist von Entwicklungszusammenarbeit.

Die Alternative zur Patenschaft
Wir haben überlegt: niemand möchte nur ein Goldesel für soziales Engagement sein. Im Gegenteil: natürlich möchte man direkten Anteil an den Erfolgen seiner Unterstützung nehmen können. Daher bieten wir „thematische Patenschaften“ an.

Werden Sie zum Beispiel Pate für die medizinische Versorgung in Sariry – davon profitieren alle Kinder und niemand wird benachteiligt. Wie das geht? Werden Sie Förderer von Sariry! Sie unterstützen uns mit einem regelmäßigen Betrag und können dabei Einfluss auf den Verwendungsbereich der Spende nehmen. Im Gegenzug informieren wir Sie über die Fortschritte, die mit ihrer Spende erwirkt werden konnten. Wir denken, dass dieses Angebot die beste Alternative zur herkömmlichen Patenschaft ist.

P.S.: Noch eine wichtige persönliche Anmerkung zum Schluss: Ich halte es für äußerst unfair, andere soziale Projekte schlecht zu machen, um Spender für die eigene Sache zu gewinnen. Viel wichtiger ist es mir, dass sich Menschen überhaupt sozial engagieren. Ich möchte Sie daher auch nicht von einer Patenschaft abhalten, wenn das für Sie die persönlich beste Möglichkeit zu sozialem Engagement ist. Ich wollte Ihnen nur verständlich machen, warum es bei Sariry keine Patenschaften gibt. Nun liegt es alleine an Ihnen…