Was bewegt Menschen im Landkreis Mühldorf, sich um die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu kümmern, deren kärglicher Alltag sich am Rande der bolivianischen Hauptstadt La Paz abspielt? Eine Antwort auf diese Frage konnte man auf der Jahreshauptversammlung des Vereins Sariry Deutschland e.V. bekommen: „Es ist die Armut und das Elend der wildwuchernden Slums, in denen Eltern und Kinder nahezu ohne Perspektive leben und kaum Chancen haben, dem Teufelskreis der Armut zu entkommen.“, so die Vorsitzende des Vereins Uschi Werner, und fügt hinzu, dass sich dorthin kaum ein Fernsehteam verirrt.

Die Anfänge des inzwischen gut laufenden Projekts gehen auf eine Zufallsbegegnung zurück. In den Jahren 2000/2001 lernte der damalige Abiturient des Mühldorfer Gymnasium Daniel Werner während seines Zivildienstes im Ausland an der dortigen Universität eine Psychologin, eine Pädagogin, sowie eine Buchhalterin kennen, die mit privaten Geldmitteln in ihrer Freizeit eine Selbsthilfegruppe unterstützten. In der Folgezeit betreute er immer wieder nebenher diese Gruppe. Doch bald war klar, dass es ohne finanzielle Unterstützung von außen zwangsläufig das Ende dieser Einrichtung bedeuten würde.

Der Zivi appellierte damals eindringlich an seine Eltern, möglichst schnell für das bedrohte Straßenkinderprojekt Spendengelder zu sammeln. Glücklicherweise gelang dies soweit, dass zumindest eine Weiterführung gesichert war. Noch im gleichen Jahr konnte durch das Mitwirken zweier weiterer Absolventen des Rupertigymnasiums die Unterstützung auf breitere Füße gestellt werden. Unter der Federführung von Florian Tress, Tobias Burgthaler und dazu Carolin Lex sowie weiterer Unterstützer konnte der Verein ‚Sariry Deutschland e.V.‘ aus der Taufe gehoben werden, mit der Folge, dass schon Ende 2001 mehrere tausend Mark nach Bolivien geschickt werden konnten. Neben einer Reihe von Privatspendern gehörten vor allem die Förderschule Waldkraiburg mit dem Erlös des Weihnachtsbasars und die katholische Landjugend mit einem beachtlichen Betrag aus ihrer Aktion „Rumpelkammer“ dazu. Hinzu kamen im Laufe der Zeit Spendengelder der Grundschule Mühldorf sowie der Goetheschule Waldkraiburg. Alle genannten Einrichtungen halten Sariry bis heute die Treue, konnte Uschi Werner den Mitgliedern vermelden, was aber den finanziellen Beitrag für Sariry von weiteren Institutionen wie der Realschule Wasserburg, dem Gymnasium Waldkraiburg und auch Kirchen nicht schmälert.

Was haben all die Spendengelder bis zum heutigen Tag bewirkt? Auf einen Nenner gebracht: „Großartiges!“, so die Worte des Lehrerehepaars Christina und Florian Athanatos Baumgartner. Auf ihrer Südamerikareise statteten sie im September dem Projekt Sariry einen Besuch ab. Gerade durch so einen authentischen Vorortbericht kann der effiziente Umgang mit Spenden nachprüfbar gemacht werden.

Zunächst seien die Lehrer von der Projektleiterin Elisa Aguilar respektvoll, aber mit einer überschwänglichen Herzlichkeit empfangen worden – wörtlich: „Wir fühlten uns wie Staatsgäste.“ Unglaublich, wie aus dem muffigen Raum der vormals kleinen Selbsthilfegruppe heute eine ganze Anlage von mehreren schönen, hellen und bunten Gebäuden entstehen konnte – inklusive einem Sportplatz -, in der täglich 60 bis 70 Kinder und Jugendliche betreut und gefördert werden. Auffallend sei die fröhliche Atmosphäre in dem Projekt, zu dem die Umgebung in krassem Gegensatz steht: soweit das Auge reicht unverputzte Häuser aus Lehmziegeln, staubige ungeteerte Straßen, marode Infrastruktur – eine Kanalisation fehlt ganz, keine öffentlichen Verkehrsmittel, kein Baum, kein Strauch, denn über 4000 Meter Höhe gibt es keine Vegetation mehr.

Großen Wert legt man im Projekt auf nahrhaftes Essen, denn das ist in den Familien nicht selbstverständlich. Zur Erledigung der Hausaufgaben und zur Nachhilfe für die Schulkinder steht ein Lehrer zur Verfügung. Es gibt Zusatzkurse, z.B. in Mathematik und Sprachen, und beim Umgang mit dem PC, die ebenfalls für die Gruppe der Jugendlichen angeboten werden. Auch Vorschulkinder profitieren von der Einrichtung. Sie werden pädagogisch betreut, wobei alle Betreuer intern und extern weitergebildet werden. Zur Wahrung des traditionellen Kulturguts als Nachkommen der Inkas gibt es Bildungsangebote, Musik- und Tanzgruppen. Alle Kinder werden ärztlich, auch zahnärztlich untersucht, was für eine gesunde Entwicklung unentbehrlich ist.

Einen breiten Raum im Projekt nimmt die Elternmitarbeit ein. Einmal, um die laufenden Kosten zu verringern, z.B. durch Kochen, Putzen, handwerkliche Arbeiten, v.a. aber, um die familiären Defizite in den Griff zu bekommen. In den Elendsquartieren von El Alto haben sich hauptsächlich ehemalige Landarbeiter, Bergbauern oder Bergmänner angesiedelt, die mit ihren Familien in die Hauptstadt ziehen, um ihr Glück zu suchen. In aller Regel landen sie aber neuerlich im Elend und in der Perspektivlosigkeit. Die Folgen davon sind Flucht in Alkohol und Drogen, Gewalt gegen Frau und Kinder, und nicht selten sexuelle Übergriffe.

Gerade zu diesen Konflikten bietet Sariry sowohl für Eltern als auch für Kinder Aufklärungsprogramme an, die auch der übrigen Gemeinde offenstehen. Darüber hinaus unterstützt Sariry die Eltern in Rechtsfragen, klärt sie über staatsbürgerliche Rechte auf und bietet Begleitung bei Behördengängen an. Im abgelaufenen Jahr konnte das Projekt ein Programm zur Vergabe von Mikrokrediten starten, um der ärmsten Bevölkerungsgruppe ökonomische Aktivitäten zu ermöglichen. Auch damit soll das Ziel erreicht werden, den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen.

Sariry will und kann keine „Insel der Glückseligkeit“ sein. Deshalb hält die Projektleiterin Elisa Aguilar vielfältige Beziehungen zu anderen Einrichtungen, die ihrerseits von den Aufklärungsvorträgen profitieren. Neben der engen Zusammenarbeit mit der öffentlichen Schule finden immer wieder Veranstaltungen zwischen den Familien im Projekt und denen außerhalb statt. Besonders beliebt sind dabei Fußballturniere. Ebenso setzt sich die Leitung von Sariry aktiv in mehreren kommunalen und nationalen Verbänden für die Rechte von Kindern und Frauen ein.

Nach einer Zeit geballten Eintauchens in die Wirklichkeit der Armutsbewältigung in einer der unwirtlichsten Gegenden unserer Erde wartete noch ein emotionaler Höhepunkt auf die Besucher aus Mühldorf: in einer kleinen Abschiedsszene von Kindern, Eltern und Projektleitung wurden sie bedacht mit berührenden Worten des Dankes für die lange währende Unterstützung aus Deutschland.

Das Lehrerehepaar verstand es auf das Vortrefflichste, seine Eindrücke aus dem Projekt an die Vereinsmitglieder weiterzugeben, insbesondere auch die überschwänglichen Worte des Dankes. Bewegt von dem Gehörten und Gesehenen spendeten die Anwesenden den beiden reichen Beifall.

Am Ende zeigten sich die Mitglieder sehr zufrieden darüber, dass die detaillierten Schilderungen genau mit den halbjährlichen Berichten aus Bolivien übereinstimmten. Es herrschte Einigkeit darüber, dass der Verein in seinen Bemühungen nicht nachlassen werde, das erfolgreiche Projekt durch Sammeln von Spenden weiterhin zu unterstützen. Eine gute Gelegenheit dazu bestehe für alle am Waldkraiburger Christkindlmarkt. Vom 3. bis 6. Dezember warten Schüler und Lehrer der Förderschule mit Selbstgebasteltem und Glühwein auf möglichst viele Abnehmer. Der Erlös kommt wie seit vielen Jahren Sariry zugute, und zwar zu 100%, da alle Verwaltungskosten aus Mitgliedsbeiträgen bestritten werden.

Weitere Informationen zum Projekt können telefonisch bei der Vorsitzenden Uschi Werner (08638-72862) eingeholt werden.